Ziele
Im Rahmen des Projekts „Sozial-ökologische Transformation des Ernährungssystems“ (STErn) wurden zwischen Oktober 2020 und September 2023 politische Handlungsempfehlungen für die Transformation zu einem nachhaltigen Ernährungssystem erarbeitet. In den Handlungsempfehlungen werden kurz-, mittel- und langfristige politische Interventionsoptionen aufgezeigt.
Im Fokus standen drei Themen:
- Pflanzenbasierte Ernährung: Es wurden geeignete aggregierte Indikatoren und Zielwerte zur Messung von Fortschritten bestimmt, wirksame politische Interventionen identifiziert und ausgewählte Handlungsansätze vertieft. Darauf aufbauend wurden politische Ansatzpunkte zur Förderung einer stärker pflanzenbetonten Ernährung in Deutschland entwickelt.
- Ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft: Es wurden Szenarien und (Weiter-)Entwicklungskonzepte für die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft erarbeitet, die nicht nur auf die landwirtschaftliche Erzeugung zielen, sondern die gesamte Wertschöpfungskette umfassen. Darauf aufbauend wurden Handlungsempfehlungen für Politik, Wissenschaft und Praxis abgeleitet.
- Regionalisierung: Es wurde geprüft, welche Relevanz die Umweltpolitik einer Regionalisierung der Ernährung beimessen sollte. Dafür wurden die möglichen Effekte einer stärkeren Regionalisierung der Ernährung in Deutschland analysiert. Darauf aufbauend wurden politische Ansatzpunkte zur Förderung einer Regionalisierung des Ernährungssystems in Deutschland entwickelt.
Als Querschnittsthema wurde außerdem die Rolle des Finanzsektors in der Transformation des Ernährungssystems analysiert. Darauf aufbauend wurden Vorschläge zur Bestimmung nachhaltiger Investitionen im Ernährungsbereich sowie Vorschläge zur verbesserten Finanzierung nachhaltiger Produktions- und Verarbeitungskonzepte entwickelt.
Die Erarbeitung der politischen Empfehlungen erfolgte in engem Dialog mit relevanten Akteur*innen in Deutschland, die durch Interviews und Workshops involviert wurden.
Hintergrund
Die Ernährungssysteme haben sich weltweit in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert. Während der sogenannten „Grünen Revolution“ in den 1960er Jahren verbreiteten sich neue Technologien und Praktiken, wie etwa die Nutzung von Hochertragssorten, künstlicher Bewässerung, mineralischem Dünger und Pestiziden. Dadurch stieg die Nahrungsmittelproduktion weltweit stark an.
Die starke Intensivierung hat jedoch auch gravierende soziale und ökologische Auswirkungen. Hinzu kommt der sich erhöhende Druck auf natürliche Ressourcen und Ökosysteme durch eine wachsende Weltbevölkerung, steigende Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten auch außerhalb des Ernährungssektors, sich wandelnde Ernährungsmuster hin zu ressourcenintensiveren tierischen Lebensmitteln sowie stark verarbeiteten Produkten. In diesem Zusammenhang nehmen auch ernährungsbedingte Krankheiten mit alarmierender Geschwindigkeit zu.
Ein Grund für die Entstehung der negativen gesellschaftlichen Nebenwirkungen des Ernährungssystems ist, dass die ökologischen und gesellschaftlichen Kosten des gegenwärtigen Ernährungssystems nur zu einem geringen Anteil im Preis von Lebensmitteln abgebildet werden. Das bedeutet, dass die Preise für Lebensmittel über die Jahre zwar sanken, dies aber auch auf der Vergesellschaftung bzw. Externalisierung von Kosten beruht. Dies führt aus Nachhaltigkeitssicht zu ungünstigen Wettbewerbsbedingungen am Lebensmittelmarkt, volkswirtschaftlichem Schaden und ethischen Problemen, die etwa im Gesundheitssystem, in der Belastung natürlicher Ressourcen, dem Verlust von Bestäubern, Tierleid und Lebensmittelverschwendung zum Ausdruck kommen.
Die COVID-19 Pandemie verdeutlichte einige Probleme des aktuellen Ernährungssystems noch einmal. Dazu gehören die Krisenanfälligkeit konzentrierter Produktions- und Verarbeitungsstrukturen sowie prekäre Arbeitsbedingungen. Außerdem unterstreicht sie den Zusammenhang zwischen intakten natürlichen Lebensräumen und der menschlichen Gesundheit, denn das Risiko, dass Krankheitserreger von Tieren auf Menschen übertragen werden, nimmt mit der Zerstörung natürlicher Lebensräume von Tieren zu. Einer der zentralen Treiber der Zerstörung natürlicher Lebensräume ist die Ausweitung der landintensiven Nutztierhaltung und somit letztlich der in vielen Ländern zu hohe Konsum tierischer Lebensmittel.
Politisch wurden in den letzten Jahren Signale gesetzt: Dass eine sozial-ökologische Transformation des Ernährungssystems angesteuert werden muss, ist etwa in der europäischen „Farm to Fork-Strategie“ von 2020 klar benannt. Nun geht es darum, politische Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Komplexität der sozial-ökologischen Herausforderungen gerecht werden. Dies ist bislang nur unzureichend der Fall: Ernährungspolitische Themen (Landwirtschaft, Umwelt, Gesundheit, Ernährungssicherheit, Wirtschaftsförderung etc.) sind in verschiedenen Ressorts zersplittert und folgen keiner kohärenten Strategie. Zum Beispiel folgt die agrarpolitische Förderung keinem übergreifenden Ansatz, der von der landwirtschaftlichen Produktion über den Handel und den Konsum bis hin zur Entsorgung/Wiederverwertung denkt. Außerdem stehen wichtige Teilbereiche der Transformation der Ernährungssysteme – wie etwa die Förderung pflanzenbasierter Ernährungsstile - noch nicht konsistent auf der politischen Agenda.
Zukünftig muss es daher darum gehen, Nachhaltigkeitspolitik konsistent auszurichten. Dafür braucht es kohärente Handlungsansätze für Politiker*innen, inklusive geeigneter Instrumente, transparenter Indikatoren und besserer Beteiligungsprozesse. Dafür fehlen in einigen zentralen Teilbereichen derzeit noch wissenschaftsbasierte Erkenntnisse. Hier hat das STErn-Projekt angesetzt.