Ziele
Das Projekt „Sozial-ökologische Transformation des Ernährungssystems“ (STErn) erarbeitet zwischen Oktober 2020 und Juni 2023 eine politische Roadmap für die Transformation zu einem nachhaltigen Ernährungssystem. In der Roadmap werden kurz-, mittel- und langfristige politische Handlungsoptionen aufgezeigt.
Im Fokus stehen vier Themen:
- Regionalisierung: STErn prüft, welche Relevanz die Umweltpolitik einer Regionalisierung der Ernährung beimessen sollte und analysiert dafür die möglichen Effekte einer stärkeren Regionalisierung der Ernährung in Deutschland. Darauf aufbauend entwickelt es ein umweltpolitisch zielführendes und anschlussfähiges Konzept einer Regionalisierung des Ernährungssystems in Deutschland.
- Pflanzenbasierte Ernährung: Es wird ausgearbeitet, wie der Wandel zu stärker pflanzenbasierten Ernährungsweisen politisch unterstützt werden kann. Dabei sollen wirksame politische Interventionen identifiziert und möglichst ein aggregierter Indikator mit einem Zielwert zur Messung von Fortschritten entwickelt und in einer Strategie zusammengeführt werden.
- Weiterentwicklung der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft: Es werden Szenarien und (Weiter-)Entwicklungskonzepte für die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft erarbeitet. Diese zielen nicht nur auf die landwirtschaftliche Erzeugung, sondern umfassen die gesamte Wertschöpfungskette und beziehen die Erfahrungskompetenz von Praxisakteur*innen stark mit ein. Darauf aufbauend werden Handlungsempfehlungen für Politik, Wissenschaft und Praxis abgeleitet.
- Finanzsektor: Als Querschnittsthema wird die Rolle des Finanzsektors in der Transformation des Ernährungssystems analysiert. Darauf aufbauend werden Vorschläge zur Bestimmung nachhaltiger Investitionen im Ernährungsbereich sowie Vorschläge zur verbesserten Finanzierung nachhaltiger Produktions- und Verarbeitungskonzepte entwickelt.
Die Erarbeitung der politischen Roadmap erfolgt in engem Dialog mit relevanten Akteur*innen in Deutschland, die durch Interviews und Workshops involviert werden.
Hintergrund
Die Ernährungssysteme haben sich weltweit in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Während der sogenannten „Grünen Revolution“ in den 1960er Jahren verbreiteten sich neue Technologien und Praktiken, wie etwa die Nutzung von Hochertragssorten, künstlicher Bewässerung, mineralischem Dünger und Pestiziden. Dadurch stieg die Nahrungsmittelproduktion weltweit stark an.
Die starke Intensivierung hat jedoch auch gravierende soziale und ökologische Auswirkungen. Hinzu kommt der sich erhöhende Druck auf natürliche Ressourcen und Ökosysteme durch eine wachsende Weltbevölkerung, steigende Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten auch außerhalb des Ernährungssektors, sich wandelnde Ernährungsmuster hin zu ressourcenintensiveren tierischen Lebensmitteln sowie stark verarbeiteten Produkten. In diesem Zusammenhang nehmen auch ernährungsbedingte Krankheiten mit alarmierender Geschwindigkeit zu.
Ein Grund für die Entstehung der negativen gesellschaftlichen Folgen des Ernährungssystems ist, dass die ökologischen und gesellschaftlichen Kosten des gegenwärtigen Ernährungssystems nur zu einem geringen Anteil im Preis von Lebensmitteln abgebildet werden. Das bedeutet, dass die Preise für Lebensmittel über die Jahre zwar sanken, dies aber auch auf der Vergesellschaftung bzw. Externalisierung von Kosten beruht. Dies führt zu aus Nachhaltigkeitssicht ungünstigen Wettbewerbsbedingungen am Lebensmittelmarkt, volkswirtschaftlichen Schaden und ethische Probleme, die etwa im Gesundheitssystem, in der Belastung natürlicher Ressourcen, dem Verlust von Bestäubern, Tierleid und Lebensmittelverschwendung zum Ausdruck kommen.
Die COVID-19 Pandemie verdeutlichte einige Probleme des aktuellen Ernährungssystems noch einmal. Dazu gehören die Krisenanfälligkeit konzentrierter Produktions- und Verarbeitungsstrukturen sowie prekäre Arbeitsbedingungen. Außerdem unterstreicht sie den Zusammenhang zwischen intakten natürlichen Lebensräume und der menschlichen Gesundheit, denn das Risiko, dass Krankheitserreger von Tieren auf Menschen übertragen werden, nimmt mit der Zerstörung natürlicher Lebensräume von Tieren zu. Einer der zentralen Treiber der Zerstörung natürlicher Lebensräume ist die Ausweitung der landintensiven Nutztierhaltung und somit letztlich der in vielen Ländern zu hohe Konsum tierischer Lebensmittel.
Politisch wurden in den letzten Jahren Signale gesetzt: Dass eine sozial-ökologische Transformation des Ernährungssystems angesteuert werden muss, ist etwa in der europäischen „Farm to Fork-Strategie“ von 2020 klar benannt. Nun geht es darum, politische Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Komplexität der sozial-ökologischen Herausforderungen gerecht werden. Dies ist bislang nur unzureichend der Fall: Ernährungspolitische Themen (Landwirtschaft, Umwelt, Gesundheit, Ernährungssicherheit, Wirtschaftsförderung etc.) sind in verschiedenen Ressorts zersplittert und folgen keiner kohärenten Strategie. Zum Beispiel folgt die agrarpolitische Förderung keinem übergreifenden Ansatz, der von der landwirtschaftlichen Produktion über den Handel und den Konsum bis hin zur Entsorgung/Wiederverwertung denkt. Außerdem stehen wichtige Teilbereiche der Transformation der Ernährungssysteme – wie etwa die Förderung pflanzenbasierter Ernährungsstile - noch nicht konsistent auf der politischen Agenda.
Zukünftig muss es daher darum gehen, Nachhaltigkeitspolitik konsistent auszurichten. Dafür braucht es eine kohärente Roadmap für Politiker*innen, inklusive geeigneter Instrumente, transparenter Indikatoren und besserer Beteiligungsprozesse. Dafür fehlen in einigen zentralen Teilbereichen derzeit noch wissenschaftsbasierte Erkenntnisse. Hier setzt STErn an.